Volksbühne Berlin am Rosa-Luxemburg-Platz
 

Musikbühne: Efterklang, Support: Peter Broderick

Wir sprachen mit Sänger Casper Clausen.


Bis zur Dezember-Tour habt ihr „Piramida“, das neue Album, quasi nur gemeinsam mit Orchestern live gespielt. Was passiert auf dieser Tour?

Wir werden das Album – und natürlich ältere Sachen – als sechsköpfige Band spielen. Wir kommen zum ersten Mal in dieser Besetzung zusammen. Ohne die Orchester-Arrangements bietet die Musik von „Piramida“ so viel Raum, an den wir uns in unserer Musik auch erstmal gewöhnen müssen. Ein großer Fokus liegt auf dem Schlagzeug, der Percussion und den elektronischen Elementen – allein schon wegen der Field-Recordings. Wir haben eine Opernsängerin – Katinka Fogh Vindelev – dabei, die Backing Vocals beisteuert und deren Stimme wir wie ein Instrument einbeziehen wollen. Peter Broderick wird dabei sein, Violine, Gitarre und Klavier spielen, Rasmus Stolberg natürlich am Bass stehen, und ich singe.

Also weniger Opulenz, dafür mehr Freiraum und Weite?
Als wir das letzte Mal in der Volksbühne gespielt haben, stand ich bei „Dingsaller“, einem Cover der Einstürzenden Neubauten, am Bühnenrand und habe auf diesem Stahlteil getrommelt, das da an der Wand befestigt ist. Diese Freiheit jedenfalls, herumzublödeln und spontan etwas auszuprobieren, hat man natürlich nicht mit einem Orchester im Rücken. Wir fanden, dass das Stück gut hierhin passt und haben es dann auch nur hier gespielt.

Viele Bands, die hier spielen, kommen wieder. Ihr spielt zum zweiten Mal in der Volksbühne.
Ich schaue mir selbst oft Konzerte in der Volksbühne an. Wenn man das erste Mal das Haus betritt, spürt man gleich das besondere Setting dieses Ortes: Einerseits die Schwere der Architektur, Kartenabreißer und Garderobieren in Anzügen, all das Seriöse – das einem das Gefühl gibt, aus der Zeit zu steigen – und ein progressives Programm andererseits. Als ich nach Berlin gekommen bin, war das sehr besonders für mich. An einen solchen Ort zu kommen und zu sehen, wie die Leute Nico feiern, so echt: Das war mein erster Besuch hier, zu einem Nico-Tribute-Abend 2008.

Efterklang - Apples


Die Frage mag etwas kitschig klingen – aber ist Berlin mittlerweile eine Art zu Hause für dich geworden?
Nein, ich würde das in Bezug auf Berlin nicht sagen. Ich habe natürlich meine Verbindungen hier, Plätze und Menschen, mit denen ich viel zu tun habe. Und ich bewege mich hier auch so, dass ich in gewisser Weise sagen kann, es ist zu Hause. Aber abgesehen von meiner Heimat, in der ich meine Kindheit verbracht habe, würde ich keinen Ort ausdrücklich „zu Hause“ nennen. Selbst Kopenhagen: Wir haben da zehn Jahre gewohnt und als wir neulich da waren, sind wir im Hotel abgestiegen – das war sehr seltsam. Aber es war schön, die Stadt „wiederzusehen“; all die Qualitäten, die man vielleicht nicht so sieht, wenn man in der Stadt lebt. Da hat man eine eingeschränkte Sicht und Perspektive. Einen Ort zum Leben und Arbeiten kann man sich aussuchen, das Gefühl von zu Hause ist aber nicht kontrollierbar. Das stellt sich vielleicht mit der Zeit ein.

Offenkundig ist es auch weniger Berlin als vielmehr ein abgelegener Ort im Nordpolarmeer, der eure Arbeit nachdrücklich inspiriert hat.
Berlin ist derzeit die Stadt, in der die Dinge um uns herum geschehen. Das geht wohl nicht nur uns so. Immer wieder fragt man sich: „Der lebt auch hier, was macht sie hier?“ – diese Überraschungen sind immer wieder erstaunlich. Andererseits kannst du hier Straßen voll grauer Blöcke entlanggehen, und man sieht Gesichter, die aussehen, als gehörten sie zu den traurigsten Menschen der ganzen Welt. Die Vielfalt macht es so interessant.

So ganz ohne Einfluss bleibt die Stadt also doch nicht?
Sie setzt auf jeden Fall Energien und Kreativität frei; gepaart mit dieser speziellen Freiheit, diesem Rahmen: Es ist nicht zwingend notwendig, einen gut bezahlten Job zu haben, die Mieten sind weitestgehend noch niedrig. Das macht es natürlich auch zu einer Art Slacker-Stadt, wo jeder gerade das macht, was er will und es sich leisten kann – richtungslos. Das unterscheidet es auch von New York, wo man nicht überlebt, wenn man nicht die Richtung kennt.

Es gibt einige Musikrichtungen, deren Ästhetik sich untrennbar mit den Städten ihrer Entstehung verbindet: Detroit-Techno, Chicago-House – da verdeutlicht das schon der Name; auch Berlin schreibt man einen bestimmten Sound zu. Piramida ist der bewusste Versuch, die Ästhetik und Atmosphäre eines Ortes auf Vinyl zu bannen. Wie viel Pyramiden ist auf der Platte?
Natürlich ist man von der Atmosphäre besonderer Orte inspiriert – deswegen sucht man sie ja auch. Im Fall von Pyramiden haben wir den Ort als Ausgangspunkt für das Album gewählt weit bevor wir wussten, welche Geräusche wir dort finden werden. Wir kannten den Ort von Bildern und waren absolut gespannt, dort zu sein. Aber es war auch ein unbeschriebenes Blatt. In manchen Songs kann man den Ort jetzt eins zu eins hören.

Kannst du ein paar Beispiele nennen? Zum Nachhören für zu Hause.
Im Booklet ist ein rostiger Tank mit Stahlösen abgebildet. Der Tank war halbgefüllt, und wenn man die Ösen mit dem Drum-Stick angeschlagen hat, gab das dumpfe, glockenähnliche  Klänge in unterschiedlicher Tonlage. Das Element trägt das erste Lied der Platte, „Hollow Mountain“. Das Schlagzeug von „Told to be fine“ haben wir in einem alten Gymnastikraum aufgenommen; wir haben dort verschiedene Rhythmen eingespielt und sie später gesampelt. In einem Musikraum lagen alte Glaslampen; das Geräusch dieser Lampen hört man auch durch den gesamten Song. Bei „Sedna“ denkt man zunächst, man hört eine Orgel. Der Sound kommt aber von einem großen Treibstofftank und dessen Hall. Wir haben den Sound mit dem eines Flügels – den wir da oben gefunden haben und der vermutlich der nördlichste Flügel der Welt ist – kombiniert und heraus kam dieser Sound, der Sound von „Sedna“. Überhaupt haben wir viele der Geräusche auch soweit bearbeitet, dass man ihren Ursprung nicht mehr erkennt.

Aber der ist allgegenwärtig.
Ja, die Stücke, in denen wir die Klänge nicht direkt übernommen haben, haben immer noch den Spirit. Näher kann man der Frage nach dem Urprung der Musik im Ort wahrscheinlich nicht kommen: Alles, was im Album steckt, geht zurück auf unseren Besuch in Pyramiden und die Geräusche, die Stein des Anstoßes waren. Man könnte solche Geräusche natürlich auch in Berlin finden, aber man wäre in einem anderen mentalen Zustand und käme mit anderen Erinnerungen. Das Album würde ein anderes sein – jedes Geräusch hat seine Geschichte. Mit Geräuschen haben wir immer schon gearbeitet, aber noch nie vor einem solch geschichts- und atmosphäreträchtigen Hintergrund. Für mich ist das Album so auch ein Album von dieser Reise: Ich erkenne bei jedem Hören, welcher Sound wo seinen Anfang genommen hat. Wobei – manchmal muss ich da mittlerweile auch schon überlegen. Das Album hat ein eigenes Leben.

Wie lange wart ihr letztlich da und wie hat sich das zunächst angefühlt?
Neun Tage waren wir da. Und es war unwirtlich. Wir hatten den Ort auch nahezu schon abgeschrieben. Ein Jahr lang hatten wir uns bei der russischen Kohle-Firma um eine Erlaubnis, Pyramiden besuchen zu dürfen, beworben – ohne Antwort zu bekommen. Und ganz ehrlich: Es fiel mir dort  selbst schwer, die Frage zu beantworten, was zum Teufel ich da eigentlich mache. Musiker, die Geräusche aufsammeln – das kann dem Chef eines Bergbau-Unternehmens schon mal abstrakt vorkommen.

Wie hatte es am Ende doch geklappt?
Ein Arte-Filmteam um den Dokumentarfilmer Andreas Koefoed erfuhr von unserer Anfrage. Sie waren näher herangekommen und bekamen die Erlaubnis. Unter ihrem Schutz sind wir mitgefahren. Sozusagen als Kabelträger. Der Aufwand war beträchtlich. Jetzt hier zu sitzen und in dem Booklet zu blättern, fühlt sich sehr komfortabel an; zu wissen, dass sich alles gelohnt hat. Aber im letzten August war ja völlig unklar, wo die Reise hinführt.

Mittlerweile hat sie euch schon nach Sydney – in die nicht eben unbekannte Oper – und ins Metropolitan Museum von New York geführt. Um jeweils mit den da wirkenden Orchestern aufzutreten.
Wir hatten vorher schon „Parades“, unser zweites Album, mit einem Orchester gespielt. Und zwei Monate nach unserer Rückkehr aus Spitzbergen kam die Oper aus Sydney auf uns zu und fragte uns an, gemeinsam mit dem Sydney Symphony Orchestra zu spielen. Eigentlich wollten wir uns zu der Zeit nur auf das Album konzentrieren. Aber es gibt wohl kein Gebäude, über das man als Däne soviel lernt wie über diese Oper – ein dänischer Architekt hat sie gebaut. Absagen kam nicht in Frage. Dann haben wir beschlossen, das neue Album mit ihnen zu spielen und dort die Premiere des Albums zu feiern.

The Ghost performed by Efterklang & Sydney Symphony in Sydney Opera House


Konzerte mit Orchestern sind doch ein Haufen Arbeit. Wie sieht die Arbeit mit dem Orchester im Detail aus?

Es wurden zwei Projekte daraus: Das Album selbst und der Auftritt mit der Symphonie. Wir haben dann angefangen, mit demselben Material auf zwei Arten zu arbeiten. Die Sounds, die wir auf Spitzbergen gesammelt haben, sollten auf dem Album in den Vordergrund treten. Das Orchester-Projekt hat uns erlaubt, größer und epischer zu denken. Als wir mit dem Album auf halbem Weg waren, haben wir das Material zu einem Arrangeur gegeben, der das Gerüst für das Orchester vorbereitet hat. Als letztes arbeitet man dann gemeinsam mit dem Orchester an der Umsetzung, vereint alle Kräfte, das war eine sehr arbeitsintensive Zeit. Orchester-Konzerte bedürfen einer sehr umfangreichen Vor-Produktion und konzentriertem Vordenken. Die eigentliche Aufführung ist dann ein mikroskopisch kleiner Teil der ganzen Produktion. Man muss lernen, diesen Moment zu genießen, zu vergessen, was alles damit verbunden ist, es auskosten. Wenn man das schafft, erreicht das Ganze ein ganz neues Level.

Ihr spielt mit Orchestern, euer Artwork ist sehr zeitgeistig, mit „An Island“ gibt es einen Film von und über euch, und  man hört eure Musik mittlerweile sogar in Werbespots: Ist Efterklang so etwas wie die perfekte Pop-Band?
Das ist so eine Sache mit Efterklang und Pop. Wir machen ja schon seit zehn Jahren unser Ding, mit den entsprechenden Erfahrungen und einer schrittweisen Entwicklung. Wir lieben Pop – wollen durch unsere Musik mit möglichst vielen Menschen in Verbindung treten. Aber es gab nie diesen Moment, wo wir sprichwörtlich durch die Decke gegangen sind. Eher eine langsame Entwicklung mit Geschenken hier und da – wie das Konzert in Sydney oder im Metropolitan Museum.

Musik und Artwork wirken bei euch seit jeher wie aus einem Guss.

Unser Artwork machen zwei Freundinnen, „Hvass & Hannibal“. Sie bilden zu unserer Musik eine Art Kontrast und balancieren uns aus; vielleicht durch die weibliche Perspektive. Sie zeichnen immer viel, probieren herum, greifen sich dann Teile heraus und verwerfen andere: Ihre Art zu zeichnen, zu arrangieren und zu designen ähnelt unserer Art zu komponieren. Sie haben für die ersten Piramida-Konzerte auch das Bühnen-Design gemacht – Elemente, die das Muster des alten Handballtores aus der Sporthalle in Pyramiden aufgegriffen haben.

Sozusagen Field-Recordings auf visueller Ebene. Popkulturell seid ihr jedenfalls in jeder Dimension präsent.

Wenn, dann macht uns zur Pop-Band, dass wir nicht nach Spitzbergen fahren, um nur um unserer Selbst Willen ein Konzept-Album zu machen, sondern wir damit Leute erreichen, inspirieren und herausfordern wollen. Das bringt einen voran. Je mehr Leute zu unseren Konzerten kommen und sich für das, was wir tun, begeistern, umso leichter wird es für uns.

Das Interview führte Piet Felber/Volksbühne
Alle Rechte am Text liegen beim Autor.
 

Tickets kosten an unseren Billettkassen 20,- Euro bzw. 16,- Euro (ermäßigt). Bei Buchungen über unseren Webshop kommen je 2 Euro Systemgebühr dazu.

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Die Musikbühne wird präsentiert von

taz. die tageszeitung

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