Inmitten aller Trostlosigkeit eines leer stehenden Hangars in einem stillgelegten Hafen der westlichen Welt lacht die Vergänglichkeit. Hier passiert nicht viel, seitdem keine Fähre mehr ankommt, keine Ladung vertäut wird, kein Schachern mit Fahrgästen mehr möglich ist und nicht mal das Nötigste wie Wasser und Strom zu haben sind. Eines Nachts hält in der Ödnis ein Jaguar: Maurice Koch hat seinen Traum des weltgewandten Bankers ausgeträumt. Den Verlockungen des großen Geldes erlegen, will er die Konsequenzen seiner Unterschlagungen nicht ertragen und sucht sein Ende.
Doch nicht mal der Tod als letzter Reinfall ist ohne Deal zu haben. Nach und nach erscheinen sie auf der Bildfläche, die anderen Gestrandeten, Verlorenen und Heimatlosen, die nur eine Sehnsucht haben, die Sehnsucht nach materiellem Wohlstand und keine wirklichen Gefühle mehr kennen. Bis auf Claire, das junge Mädchen, das kleine Licht am Hangar der Tristesse, haben sie alle den Seelentod fast hinter sich. Jetzt zählt der Deal.
Maurice Koch handelt um den Zugang zum Fluss, in den er sich stürzen will, Monique, seine treue und ergebene Sekretärin, feilscht um ihren verzockten Autoschlüssel, um endlich wieder wegzukommen, Fak dealt um Claire, die die Liebe als kostbares Geheimnis noch mit sich trägt, und ihr Bruder Charles will einfach nur noch weg, auf die andere Seite. Seine Mutter Cecile will mit, aber ihre Vergangenheit stülpt sich über sie, und sie redet sich zurück in die Inka-Sprache ihrer Herkunft, bis sie verstummt. Ihr Mann Rodolfe, durch Kriege in (s)einem fernen Land verstört, hasst seine Frau und wird dadurch selbst zur Nichtigkeit.
Mit der Ankunft von Maurice Koch scheint sich für einen winzigen Moment ein Schimmer Hoffnung aufzutun, die Hoffnung auf ein Geschäft oder zumindest einen Ausweg vor dem weiteren Abstieg.
Kochs Ende entlässt die Quaibewohner in die fatale Einsicht der Vergeblichkeit allen Strebens und Bemühens. Der sprachlose, autarke Beobachter Abad erlöst sie von allem Übel und verhindert somit den Umkehrschluss: Er hält Charles auf, die Fußstapfen eines Maurice Koch größer werden zu lassen.
Das klingt tragisch, doch die Tragik bei Bernard-Marie Koltès ist nicht dramatisch, sie ist ein Zustand: „Man sollte nie versuchen, vom Sinn des Gesagten auf die Psychologie der Figuren zu schließen; im Gegenteil...“
Seine poetischen Texte können ironisch verstanden werden, das Komische lugt aus den Begegnungen seiner Figuren hervor.
Nach „Antigone/Elektra“ inszeniert Werner Schroeter das Stück „Quai West“ von Bernard-Marie Koltès in der Übersetzung von Heiner Müller.
Mit: Peter Kremer (Maurice), Pascale Schiller (Monique), Silvia Rieger (Cecile), Maria Kwiatkowsky (Claire), Uwe Preuss (Rodolfe), Sebastian König (Charles), Christoph Letkowski (Fak) und Toks Körner (Abad)
Regie: Werner Schroeter
Mitarbeit: Monika Keppler
Bühne: Werner Schroeter, Jochen Hochfeld
Kostüme: Alberte Barsacq
Licht: Hans-Hermann Schulze
Dramaturgie: Monika Keppler, Sabine Zielke