Elf Jahre, nachdem die Veröffentlichung des Zonic-Spezials „Spannung. Leistung. Widerstand. Magnetbanduntergrund DDR 1979 -1990“ in der Volksbühne vor ausverkauftem Haus gefeiert wurde, mit einer Vielzahl noch aktiver oder wieder aktivierter Ex-Ost-Kassettentäter der nicht zuletzt mit zwei beigelegten CDs vorgestellten Szene zwischen Post Punk, Poesie und Performance, kehrt das Magnetband-Thema ins Haus zurück.
Aus gegebenem Anlass, denn während das Buch seit Jahren ausverkauft ist und zu schwindelerregenden Preisen gehandelt wird, erschien nun beim Hamburger Label Bureau B eine Auswahl-Compilation, die unter „Magnetband. Experimenteller Elektronik-Untergrund DDR 1984-1989“ wenigstens einen Teil der Tracks wieder auf Tonträger zugänglich macht. Zumal auf Vinyl sowie in Kleinauflage sogar auch auf Kassette. Es schließen sich also gleich mehrere Kreise an diesem Abend, der in mehreren Schritten zelebriert wird, die von der Reflektion bis zum Recycling gehen.
„Melodie & Harmonie“ - Klangfarben der Peripherie oder Magnetbanduntergrund Karl-Marx-Stadt
In einem mehrmedial unterfütterten Talk reden die Herausgeber Alexander Pehlemann (Zonic/Leipzig) und Ronald Galenza (Radio Fritz/Berlin) mit den Aktiv-Zeitzeugen Claus Löser (Die Gehirne/DDR-Filmunderground-Spezialist und Archivar) und Frank Bretschneider (Ex-AG.Geige/klangFarBe-Tapelabelbetreiber/heute Rasternoton) anhand des Sonderbeispiels Karl-Marx-Stadt über damalige Subkultur-Produktionsverhältnisse sowie die heutigen Wahrnehmungen des Materials.
Bert Papenfuß (Text), Lutz Heyler (Musik) live
33 Jahre später – der Klampf geht weiter!
Wertschmelz (Teil 2) „Das wäre doch gelacht …“
Bert Papenfuß, der als Poet der „Prenzlauer Berg Connection“ oft mit Musikern oder Malern kooperierte und eine zentrale Netzwerkfigur war (bzw. heute noch ist), sowie Lutz Heyler, der bereits 1979 musikalisch in der Szene aktiv wurde, traten bis 1984 gelegentlich als Punk´n´Poetry-Duo auf, wovon eine „Wertschmelz I“ betitelte Aufnahme auf der 1984 in Kleinstauflage veröffentlichten Kassette „O.T.O.B. - Umfugs Beginnens Verrichtung“ zeugt. Ein Drittel Jahrhundert später geht notwendigerweise „der Klampf“ weiter, mit alter und älter gewordener Widerborstigkeit den Verhältnissen gegenüber.
Herr Blum (live)
Herr Blum ist ein Bandprojekt von Thomas Wagner aus Hönow bei Berlin, der bereits 1982/83 Avant-Punk-Versuche mit Rosa Beton machte, von denen es allerdings nur in der Szene zirkulierende Homerecordings gab. Wie anfangs auch von Herr Blum, da jedoch schon als Editionen gestaltet, dasaber ab 1987 zudem anfing, spektakuläre Auftritte zu liefern, bei denen der Vater Jürgen Wagner die Performances mit wildem tachistischem Actionpainting optisch auflud. Herr Blum überlebte sogar den Systemwechsel und veröffentlichte bis 1998 mehrere Tonträger, wobei Thomas Wagner parallel wie im Anschluss diverse andere Projekte betrieb, von denen auf jeden Fall Tom Terror & Das Beil genannt werden sollte. Seit der Reunion-Performance beim Leipziger Festival „Ihr habt es nicht anders gewollt“ im Jahr 2009 ist das Vater-Sohn-Duo Wagner aber gelegentlich auch wieder zusammen auf der Bühne aktiv, erweitert um Mitstreiter und Technik des Jetzt, aber ansonsten noch immer kantig und energievoll sowie nicht zuletzt extrem farbenfreudig.
Karl-Marx-Stadt (Karl-Marx-Land/Leipzig) live
1980er-Subkultursounds aus Karl-Marx-Stadt - neu arrangiert von Karl-Marx-Stadt
Hinter dem Pseudonym Karl-Marx-Stadt verbirgt sich der in Chemnitz aufgewachsene, mittlerweile aber in Leipzig wohnende Christian Gierden, der unter anderem eine Vorgeschichte bei der Breakcore-Formation Society Suckers aufweisen kann, sich mittlerweile aber zu einem experimentellen Elektronikproduzent von hoher Vielfalt entwickelt hat. Die Idee eines “Karl-Marx-Stadt remixt Karl-Marx-Stadt“ schlägt den Bogen zurück zur eher unfreiwilligen Art, wie er zum Künstlernamen kann, dem gescheiterten Versuch, eine Compilation von Chemnitzer Elektronikproduzenten zu erstellen, woraus seine erste Solo-LP wurde. Nun widmet er sich der schrägen, auf skurrile Weise humorvollen und stark von einer Vermengung mit Bildender Kunst geprägten Subkultur des Karl-Marx-Stadt der 1980er und speist die Sounds von damaligen Projekten wie AG.Geige, Kriminelle Tanzkapelle oder Knut-Baltz-Formation per Reminiszenz-Remix in die recyclierende Retro-Elektro-Szene ein.
Tickets kosten 15,- Euro.