Volksbühne Berlin am Rosa-Luxemburg-Platz
 

De Frau (Dr. Poundaddylein - Dr. Ezodysseusszeusuzur)

von Jonathan Meese


DAS ERZMANIFEST DER VORREVOLUTION, LEIDER, TUT MIR LEID, ES GEHT ES NICHT ANDERS. (DAS TOTALE SPIEL HAT IHRE EIGENEN GEFÜHLE. DIESEN GEFÜHLEN KÖNNT IHR NICHT ENTGEHEN, DENN SIE WERDEN EUCH ÜBERMANNEN.) = TRADITION + POPULARITÄT + GETREIDE + OVERKILL = ERZREVOLUTION (DE FRAU + DE MANN + DE KIND + DE TIER = TOTALES THEATER) (IHR SEID NIMMERMEHR AUSSER GEFAHR) von Jonathan Meese DE FRAU ist die erste Theaterproduktion von Jonathan Meese. Der Künstler, der für Frank Castorfs Inszenierungen „Kokain“ und „Meistersinger“ erstmals seine eisernen Kreuze, überbordenden Textbanner und hölzernen Militärfahrzeuge in die Volksbühne trug, wird - anders als in seinen weltweiten Solo-Performances - für DE FRAU nicht nur sich, sondern ein ganzes Schauspielensemble inszenieren. Für Meese bedeutet „Inszenierung“ immer, sich den ungewissen aber verheißungsvollen Gegebenheiten paralleler Wirklichkeiten kompromisslos und radikal auszusetzen: „Ich möchte, dass sich die Sachen selbst überdehnen. Ich möchte, dass die Sachen die Regie übernehmen – nicht ich und meine Meinung oder mein Geschmack. Das spielt keine Rolle. Ich möchte, dass die Sache nach vorne geht. Es geht um totale Energie.“ "Der Künstler ist frei, das heißt, er muss frei sein, ob durch oder gegen seine Umwelt. Er darf entweder nichts zu gewinnen haben, was er als Gewinn oder als Entgelt für verlorene Lauterkeit veranschlagen würde, oder er darf nichts zu verlieren haben und in diesem Fall wird seine Lebenszeit wohl kurz bemessen und sein Lebenswerk zerrissen sein." Wer diese Sätze geschrieben hat ist unbedeutend. Es kommen einige Personen in Betracht: der 1945 wegen faschistischer Propaganda im Stahlkäfig eines amerikanischen Militärlagers festgesetzte Schriftsteller Ezra Pound zum Beispiel, oder der nach Burgtheaterruhm lechzende junge Schauspieler Klaus Kinski; vielleicht auch Neil oder Chris von den Pet Shop Boys, Stan Laurel, Scooter, die Show-Legende Liberace oder "Lolita"-Regisseur Stanley Kubrick. Es spielt keine Rolle, denn bei DE FRAU, wo die Genannten aufeinander treffen, wirken Kräfte jenseits von Gewinn und Verlust. DE FRAU hat alle Namen verschluckt, alle Biographien und Kommentare. DE FRAU ist der "parabolic mirror", in dem die Künstler deformiert, ihre Erfindungen jedoch gigantisch erscheinen. Im Todeskarussell von DE FRAU werden Bilder beschleunigt, Objekte gefeiert, Kunstfiguren gepriesen, Klänge und Filmsequenzen in Endlosschlaufen gelegt. DE FRAU ist gleichzeitig Steinzeit, Zukunft und Restaurant. DE FRAU ist schotterhaltig und unnatürlich überbevölkert. DE FRAU verzichtet auf demokratisch gewählte Repräsentanten, es legt alle Verantwortung in die Hände eines Eisverkäufers. Soft- und Fruchteisvariationen sind das Kapital von DE FRAU und EISCREMEESE nimmt die Verteilung vor. Geduldig kühlt er die glühenden Münder seiner Familienangehörigen, nennt ihre Namen (Zed, Vampirella, Wladimir, das Schnürfel, Daniel "Danny" Wilde) und berichtet über DR. POUNDADDYLEIN bzw. DR. EZODYSSEUSSZEUSUZUR - die Gründungsmythen von DE FRAU. Seine Reden sind unerbittlich, denn er muss davon ausgehen, dass alles, was er sagt, falsch verstanden werden könnte. Das nur für ihn lesbare Menetekel warnt: Die Sprache ist das Gefährlichste überhaupt! Das Missverständnis ist permanent, ununterbrochen! Deshalb ist auch nicht ausgeschlossen, dass alle Erzählungen das Gegenteil bewirken. In diesem Fall gibt es für die gesamte achtköpfige Dynastie nur noch eine Möglichkeit: 2 Monde lang in 4 Farben leben! Malte Ubenauf, 2007 Premiere am 24. Januar 2007 im Großen Haus
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