Der Radwechsel der Geschichte ist eng verbunden mit dem Verschwinden der Wahrheit. Seit wir wissen, dass alles, was uns von einer Wahrheit überzeugt, auch von denen verwendet wird, die uns täuschen wollen, ist im privaten und öffentlichen Leben der Zweifel nicht mehr tot zu kriegen. Wo Wahrheit ist, da ist auch Lüge. Die Kulturwissenschaftlerin Eva Horn, Professorin für Neuere deutsche Literatur an der Universität Basel, beschäftigt sich schon länger mit dieser Entwicklung. Verräter, Täuscher und mehrfach umgedrehte Geheimagenten sind die Protagonisten ihrer Aufsätze und Bücher. Schauspieler des Ernstfalls. Im März ist sie Gast in der von Christoph Menke und Carl Hegemann verantworteten Denkzone, wo sie vor allem politische Aspekte des Themas zur Diskussion stellen wird. „Politik hat mit Meinungen zu tun, mit Mehrheiten, mit Dissens und Konsens. Für das Zustandekommen solcher Meinungen und Mehrheiten sind darum Lügen vermutlich konstitutiver als die Wahrheit. Schon immer waren darum Techniken der Verstellung, der heimlichen Allianzen, des Vertrauensbruchs und Verrats integraler Bestandteil des Politischen. Ebenso wichtig sind offene Geheimnisse, über die man nicht spricht, Tabus oder auch die Ballung der öffentlichen Aufmerksamkeit um Scheindebatten.“ Eva Horns neues Buch über Verrat, Spionage und die Politik der Moderne, in dem sie den Techniken und Taktiken des Geheimnisses und der Lüge nachgeht, befindet sich im Druck. Das Gespräch wird sich um die politische Lüge und das Geheimnis drehen: Kann man ohne Lügen Politik machen? Ist Verrat vermeidbar? Ist in manchen Situationen Lügen Pflicht? Was ist eine politische Kultur der Lüge? Und wie geht es Leuten, deren Leben aus nichts als Lügen besteht?