Da die Illusion, die Täuschung und die Lüge selbst zum Gegenstand kritischer Reflexion geworden sind, kann das Theater anders als vielleicht zu Zeiten Brechts Illusion, Täuschung und Lüge wieder zum Gegenstand seiner gesellschaftsbezogenen Praxis machen. In der Veranstaltungsreihe von Christoph Menke und Carl Hegemann thematisiert diesmal Nikolaus Müller-Schöll, Theaterwissenschaftler und Philosoph aus Bochum, das nagende Problem des Glaubens im gegenwärtigen Theater und in der Gesellschaft, die das Theater in vieler Hinsicht zu kopieren scheint. Müller-Schöll: „Während technische Mittel in der Vergangenheit vor allem die Illusionsmöglichkeiten des Theaters optimieren sollten, dient der Einsatz von Medien im Gegenwartstheater häufig der Unterbrechung oder dem Spiel mit der Illusion. An die Stelle des - häufig Brecht zugeschriebenen - Postulats der Auflösung der Illusion tritt das überlegte Spiel oder das forschende Experiment mit ihr: Wieviel Glauben an das Dargestellte braucht man, um eine Illusion herzustellen, und wie lässt sich diese dann wieder brechen?” Der Vortrag wird nach einem historischen Problemabriss und einem Seitenblick auf verschiedene gegenwärtige Beispiele in Auseinandersetzung mit Arbeiten von "Rimini Protokoll" und Walid Ra'ad einige Thesen zu Anfang und Enden der Illusion vorstellen. Dabei soll nicht zuletzt danach gefragt werden, was die Merkwürdigkeiten des Glaubens im Theater über das moderne Subjekt, die moderne Bühne und den Zusammenhang beider verraten.