Volksbühne Berlin am Rosa-Luxemburg-Platz
 
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Die Zofen

von Jean Genet


„Die Zofen sind Ungeheuer wie wir selber, wenn wir dieses oder jenes träumen“ schreibt Jean Genet über seine beiden Kreaturen Claire und Solange.
Genet, der sich als Findelkind früh als Außenseiter der französischen Gesellschaft ausmacht, schließt sich der Fremdenlegion an, desertiert schon bald, wird verhaftet. Wegen Diebstahls, Herumvagabundierens, Desertion, neuerlichen Diebstahls – vor allem von Büchern - zwischen 1937 und 1943 dreizehn Mal inhaftiert und aus fünf Ländern ausgewiesen. Im Gefängnis beginnt er „aus Langeweile“ zu schreiben.
Der Doppelmord der Schwestern Lea und Christine Papin an ihrer Dienstherrin und deren Tochter 1933 in Mans gibt Genet den Funken, den er braucht, um diese brennende Charade der Persönlichkeiten auszuschreiben: In der Abwesenheit von Madame vollziehen Solange und Claire ein rituelles Spiel, umgeben von güldener Spiegelwand und illustrem Geschmeide, aber auch schmiedeeisern gedrehten Handläufen auf den tiefsten Siebzigern taucht die Szenerie in einen Nebel behaupteter Geradenoch-Pracht. Die dominante Claire übernimmt die Rolle der Madame, während Solange ihre Schwester spielt. Madame hat nach Genets Überzeugung bereits die beiden Angestellten in ihrer eigenen Vorstellung erzeugt. Sie begegnet ihnen mit einer Haltung erbarmungsloser Güte und kühler Geschenke. Den wahren Schwestern begegnet man nie. Der Herrin bezeugen sie mit falschem Respekt und falscher Dankbarkeit diejenige Ehrerbietung, die auch Genet seinen Gönnern (nicht) entgegenbrachte. Allein miteinander erzeugen sie weitere Zerrbilder ihrer selbst und der Madame. Der Versuch, sich ein reflektives Bewusstsein über die Imaginierung des Realen zu erschaffen, schlägt fehl und endet als rituelle Ohrfeige auf Claires Wange, die dargestellt wird von Solange, die dargestellt wird von Sophie Rois, die eine Frau spielt, die einen Mann spielt (nach Genets ursprünglichen Intentionen), der eine Frau spielt. Und auch Edith Clever, eine tatsächliche Grande Dame des Theaters, die eine Madame spielt, die wiederum... (ja, ja) geht der Sache mit dem Lindenblütentee aus der Hölle auf quälend kunstfertige Weise nicht auf den Leim.

In seiner Inszenierung lässt Luc Bondy die Schicht der Komödie immer wieder durchbrechen vom untergründig tosenden Kampf zwischen den Figuren, deren Hass und Liebe auf- und zueinander sich in ständig wechselnden Konstellationen von erotisch aufgeladenem Trug und gewalttätigen Charaden in einem Bühnenbild von Bert Neumann verschrauben.

  

Mit: Caroline Peters (Claire), Sophie Rois (Solange) und Edith Clever (Gnädige Frau)

Regie: Luc Bondy
Regie-Mitarbeit: Geoffrey Layton
Bühne: Bert Neumann
Kostüme: Tabea Braun
Dramaturgie: Dieter Sturm
Licht: Dominique Bruguière

Eine Koproduktion mit den Wiener Festwochen

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