Slawophilentum oder Annäherung an den Westen? Seit Dostojewskijs Zeiten ist diese Fragestellung ein Richtungsstreit der russischen Intelligentsija. Mit Dostojewskijs slawophilen Positionen befasst sich die Auftaktveranstaltung zur Reihe „Schuld ohne Sühne“, in der Castorfs Dostojewskij-Bearbeitungen en suite gespielt werden.
Gestaltet wird der Abend vom Künstler und Publizisten Haralampi G. Oroschakoff, österreichischer Kosmopolit aus alter russischer Familie, der das Archivieren und Vergleichen ost-westlicher Welten zum Mittelpunkt seiner Bücher und Bilder gemacht hat. In Bert Neumanns „Dämonen“-Bühnenbild liest Haralampi G. Oroschakoff aus Texten, die sich mit Dostojewskijs Überlegungen zur „orientalischen Frage“ befassen: „Ein Sommer in Baden-Baden“, der von Susan Sontag gepriesene Roman von Leonid Zypkin, Dostojewskijs „Briefe eines Slawophilen“ und Oroschakoffs Buch „Die Battenberg-Affäre“, der in Kürze im Berlin Verlag erscheint.
Einen Bogen zur Gegenwart schlägt der Dokumentarfilm „Dostojewski Straßenbahn“ von Dmitri Popov (D, 2003), in dem Dostojewskis Enkel im heutigen Russland aufgesucht wird. Die Dokumentation fängt das Leben in St Petersburg mit verschiedenen Momentaufnahmen ein und reist durch die 300-jährige Geschichte der Stadt. Es ist eine Fahrt abseits der pompösen Prachtbauten, vorbei an den Mietshäusern mit ihren dunklen Hinterhöfen, wo verarmte Intellektuelle, Studenten und Säufer wohnen.
Eingerahmt wird der Abend vom tatarischen Musiker Ildar Kharissov, der seine eigenen Kompositionen am Klavier vorstellt.