Volksbühne Berlin am Rosa-Luxemburg-Platz
 

Ein Chor irrt sich gewaltig

von René Pollesch nach Yves Roberts Film „Un éléphant, ça trompe énormément“


„Wir sind schon gut genug!“ (Dietmar Dath) Und was wäre dann mit einer herrschenden Kapitalismuskritik? Wird sie endlich verstummen? Weil sie sich nur wieder darauf beschränkt, zu sagen, dass wir nur bessere Menschen werden müssten? „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral!“. Also weg mit ihr! Diese leichtfertige Rede vom Ende des Kapitalismus! Wie wäre es mit dem Ende der Moral! Ja gut, wir können bei überzogenen Managergehältern stehen bleiben! Aber was wäre denn, wenn wir schon gut genug wären? Dann würde die Kritik am Kapitalismus vor uns stehen und sie hätte nichts mehr zu sagen, das wir abnicken könnten. Wir sind schon gut genug! Sie, Lucien! Ich! Wir alle sind gut genug, das ist nicht das Problem gerade, dass einige nicht so gute Menschen wären wie andere. Aber Sie! Mit Ihrer Selbstgewissheit über den eigenen Platz in diesem Leben, die jede Theorie nur wie ein modisches Accessoire neben sich duldet. Aber sonst verlässt man sich auf die Säulen einer christlich-jüdisch geprägten abendländischen Gesellschaftsordnung, die sich mit der protestantischen Ethik zum Leitbild moderner Lebensführung durchgesetzt hat. Dieses Missverständnis über unsere Geschichtlichkeit! Wir sind nicht deshalb historische Wesen, weil wir jeden Dreck unserer Vorfahren wiederholen. Darin sind wir eher ungeschichtlich. Die Idee eines starren überhistorischen harten Kerns, der ist nämlich ahistorisch, Lucien! Ich fühle mich so proletarisch mit dir hier im Bett... Aber dieser leichtfertige Umgang mit dem Bankrott des Kapitalismus. Das muss aufhörn! Sex und die Suche nach der Wahrheit sind unnötigerweise verbunden. Wir beide liegen hier und was soll das für eine Wahrheit sein? Der Sex ist kein Tabu in den Gesellschaften, das ist das Missverständnis, stattdessen haben sie unaufhörlich über nichts anderes geredet als Sex. Das Elend der Sexualität besteht nicht in der Repression. Marx hat auch nicht den Kapitalismus als Repression erklärt, als abgekarteten Diebstahl. Der Zweck des Kapitalismus ist es nicht, den Arbeiter auszubeuten. Oder dass dieser Zweck vertuscht wird, das ist nicht das Problem. Sein eigenes ungeheucheltes Erstaunen darüber, dass man zum Sklavenhalter wird. Das ist ein Thema! Und nicht Gut und Böse. So wie die grundlegenden Gesetze des Kapitalismus aussehen, müssen sie einfach Elend produzieren. Marx hat sich der Analyse der Produktion gewidmet. So konnte er der Empörung entkommen.

Spieldauer: 1 Stunde

  

Mit: Jean Chaize, Brigitte Cuvelier, Christine Groß, Sophie Rois, Claudia A. Daiber (Chor), Betty Freudenberg (Chor), Jana Hampel (Chor), Lisa Hrdina (Chor), Marie Löcker (Chor), Marie Lucht (Chor), Silvana Schneider (Chor), Ninja Stangenberg (Chor), Nele Stuhler (Chor), Irina Sulaver (Chor), Lisa-Theres Wenzel (Chor) und Anna Kubelik (Chor)

Chorleitung: Christine Groß

Text und Regie: René Pollesch
Bühne: Bert Neumann
Kostüme: Bert Neumann
Licht: Frank Novak
Dramaturgie: Aenne Quiñones

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Inspiration by

Herve Vilard - Capri c'est fini
Michel Delpech - Pour un flirt
Gilbert Becaud - Nathalie
Josephine Baker - La petite tonkinoise
Verdi, Bayerisches Staatsorchester, Carlos Kleiber, Ilena Cotrubas, Placido Domingo, 1977 - La Traviata

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