„Was willst du dich denn hier genieren?/Musst du nicht längst kolonisieren?“ – so lautet die rhetorische Frage, die Mephisto im Schlussakt der Tragödie an Faust richtet. Der geniert sich natürlich nicht, sondern treibt die Kolonisierung der Welt ruhelos voran, so wie sich das für einen archetypischen Modernisierer gehört, der „ungebändigt immer vorwärts dringt.“ Heute ist der faustische Geist des grenzenlosen Vorwärtsdringens womöglich in Silicon Valley und überall dort zu Hause, wo die Kolonisierung sämtlicher Daseinsbereiche in den globalen Daten-, Bild- und Finanzströmen alle noch verbliebenen Grenzen überschreitet. Aber vielleicht ist hier dann auch Fausts großes Projekt, die Welt und das Leben ein zweites Mal neu zu erschaffen, in der Tat an ein Ende gekommen. Schon macht sich neuerdings allerorten, in schrillen Tönen vor allem in Amerika, der Überdruss am faustischen Expansionsdrang bemerkbar. In dieser Situation zeigen sich die Fausts Streben seit je her gleichermaßen innewohnenden emanzipatorischen und alptraumhaften Elemente um so deutlicher. Die Vorträge und Diskussionen im Roten Salon werden den fausttypischen Doppelaspekt von Utopie und Dystopie thematisieren.
16.00-16.10 – Michael Jaeger: Faust heute – Begrüßung/Einleitung
16.10-17.00 – Ralf Konersmann: Heroen der Unruhe
17.00-17.50 – Manfred Osten: Homunkulus – oder: Das posthumane Glück
17.50-18.10 – Kaffeepause
18.10-19.00 – Michael Jaeger: Faust und die Stadt
19.00-20.00 – Pause
19.40-20.00 – Faustchöre: "Der Faustsche Expansionsdrang nimmt im Chor stimmgewaltig Gestalt an" (ender/kolosko)
20.00-21.30 – Podiumsdiskussion mit Boris Groys, Diedrich Diederichsen, Carl Hegemann und Valery Tscheplanowa
Faustchor: Nina Ender, Stephanie Stremmler, Marianne Kjær Klausen, Olivia-Patrizia Kunze, Esther Zimmering, Mieke Schymura, Elke Espert, Melanie Witteborg, Selin Sensan, Anja Jacobsen, Nina Schwartz (Chorleitung: Stefan Kolosko)
Gefördert mit freundlicher Unterstützung der Heinz und Heide Dürr Stiftung