Volksbühne Berlin am Rosa-Luxemburg-Platz
 

Hören: DECESSION

Mit Amnesia Scanner & Vincent De Belleval, Bill Kouligas & Spiros Hadjidjanos, M.E.S.H. & Michael Guidetti, mobilegirl, Physical Therapy & Florian Ludwig, TCF, Claire Tolan und Why Be


kuratiert von Jens Balzer und Martin Hossbach in Zusammenarbeit mit Henrike Werner Pop, Performance, Bildende Kunst und Video-Ästhetik – Konstellationen zwischen diesen Künsten erfreuen sich länger schon großer Beliebtheit. Bildende Künstler arbeiten mit Pop-Produzenten zusammen oder eignen sich ihre Ästhetik an; Pop- Produzenten insbesondere aus dem Bereich der elektronischen Musik verbinden sich mit Video-Künstlern, um ihre Musik zu audiovisuellen Formaten zu weiten. Immer noch gibt es aber zu wenig Projekte, die aus einer gemeinsamen Arbeit entstehen; Projekte, in denen Performance, Video, Bildende Kunst und Pop einander durchdringen und sich gegenseitig auf ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede, auf ihre je besonderen Möglichkeiten und Grenzen befragen. Das ist das Ziel des Decession Festivals. Für einen Abend und eine Nacht lang übernehmen sechs Produzent*innen und Acts aus der aktuellen Berliner Elektropop- Avantgarde die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz mit all ihren Bühnen, Foyers und sonstigen Räumen, um mit Künstler*innen anderer Genres multimediale Werke zu erschaffen – jenseits der schlichten Präsentation eines Künstlers, der unbewegt auf der Bühne von seinem Laptop und anderen Geräten vorprogrammierte Sounds abruft. James Whipple alias M.E.S.H. hat mit seinen skelettierten, aber sonderbar glitzernden Hybriden aus HipHop, Industrial und Techno eine ganz eigene Klangwelt erschaffen. Bei Decession präsentiert er eine Performance mit Lasern und immersiven Video-Projektionen aus der Feder von Animationskünstler Michael Guidetti und live gespielten elektronischen Instrumenten. Die Bild- und Klangsprache von SF- und Action-Blockbuster-Filmen nimmt M.E.S.H. zum Ausgangspunkt, um eine Doomsday-Geschichte mit berstenden Kontinenten und apokalyptischen Schrecknissen jenseits der Vorstellungskraft zu erzählen. Lars Holdhus alias TCF bringt in seinen Kompositionen komplexe Algorithmen zum Klingen und bricht die Selbstbezüglichkeit der Mathematik dabei immer wieder an Natur- und Kulturgeräuschen; als Künstler wie als Wissenschaftler hat er sich ausgiebig mit dem Zusammenhang zwischen humanoider und künstlicher Intelligenz und Sprache befasst. Seine Installation im Roten Salon besteht aus 3Dgedruckten Hals-Rachen-Modellen, einer Video-Arbeit und einer Performance, die auf TCFs Besuchen in asiatischen und europäischen Forschungslaboren fußt. Dazu will er gut gereiften Pu-Erh-Tee aus dem Jahr 1990 und früher servieren. Claire Tolan befasst sich als Künstlerin und als Hackerin mit Informationstheorie und Mensch-Maschine-Interaktion ebenso wie mit Fragen der Intimität und Privatheit in digitalen Gemeinschaften; im Berlin Community Radio präsentiert sie die Show „You’re Worth It“, die sich mit den Klängen und der Kultur der Autonomous Sensory Meridian Response (ASMR) befasst. Bei Decession zeigt sie ihre Performance „Die Siedler von Shush“: In einem Rollenspiel führt Tolan in eine fiktive Welt, in der das sanfte und schmerzlindernde SHUSH als alternatives Währungsmittel abgebaut und gehandelt wird. Bill Kouligas arbeitet als Produzent wie als Chef des stilprägenden Labels PAN an der Verschränkung aktueller elektronischer Musik mit den Traditionen des Post-Punk und der elektroakustischen Avantgarde seit den Fünfzigerjahren. In seinem mit dem Künstler Spiros Hadjidjanos entwickelten Projekt nimmt er die die unsichtbare und unhörbare Topologie der drahtlosen Internet-Kommunikation zum Ausgangspunkt einer audiovisuellen Installation. WLAN-Router werden mit Glasfaserkabeln verlängert, so dass offene Netzwerke entstehen, in die sich das Publikum einwählen kann; außerdem treten ausgebildete Opernsänger*innen auf. Daniel Fisher alias Physical Therapy rast in seinen superschnellen, hypereklektischen Clubmusik-Montagen binnen weniger Sekunden um den gesamten Klangglobus des Techno. Seine Performance, die er mit dem Grafikdesigner Florian Ludwig entwickelt hat, befasst sich mit dem Geruch, jenem Wahrnehmungssinn, der am engsten mit der Erinnerung verflochten ist. Er wird ein eigens kreiertes Parfüm namens „Club“ präsentieren, das die olfaktorischen Reize einer durchtanzten Nacht bündelt, Schweiß, Schmutz, kalte Asche, Bier, Cocktails und Spermaduft. Seinen Flakon-Stand lässt er von einem speziellen Soundtrack beschallen: ein DJ-Set aus einem entfernten Raum, vermischt mit der Kakophonie der Party. Das Duo Amnesia Scanner verbindet düstere Industrialklänge mit Club-Elementen. Kraftvoll knallende Kickdrums und tiefe Bässe bringen den Körper stets in die Nähe des Tanzens, doch die „anormale“ Komplexität der Rhythmen ruiniert verlässlich den Bewegungsfluss. In Zusammenarbeit mit dem Designer Vincent de Belleval präsentieren Amnesia Scanner auf der großen Bühne eine fünfdimensionale 720-Grad-Multimedia-Show. Sie nutzen Theater- und Film- Effekte und ziehen sämtliche Register der Nachtleben-Technologie, um die Volksbühne in einen lebendigen, feurig atmenden Organismus zu verwandeln. Bei der Aftershow-Party treten schließlich zwei der tollsten jungen DJ-Talente auf, die Berlin gegenwärtig zu bieten hat. Bao-Tran Tran alias mobilegirl erschafft mit ständig wechselnden Tempi, vielfach gebrochenen Bleeps und Bloops, metallischen Beats und Reggeaton-Rhythmen aus R’n’B-Klassikern von Brandy, JLo und TLC einen hoch tanzbaren Post-Internet-Pop. Tobias Lee alias Why Be verbindet die verschiedensten Genres wie Ballroom, Rap und instrumentalen Grime zu einem hektisch-kathartischen, hoch individuellen Stil. Schedule: Großes Haus 21:40 M.E.S.H. & Michael Guidetti 22:20 Bill Kouligas & Spiros Hadjidjanos 23:30 Amnesia Scanner & Vincent De Belleval Rechtes Seitenfoyer 21:10 - 00:00 Physical Therapy & Florian Ludwig Sternfoyer 21:10 - 21:30 Claire Tolan 23:00 - 23:20 Claire Tolan Roter Salon 21:10 - 21:30 TCF 23:00 - 23:20 TCF 00:00 - 05:00 Aftershowparty: Why Be, mobilegirl Eine Koproduktion mit den Münchner Kammerspielen. Gefördert mit Mitteln des Hauptstadtkulturfonds, Berlin.
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