Volksbühne Berlin am Rosa-Luxemburg-Platz
 

Hören: Imarhan

DJ ab 19 Uhr im Parkettcafé: Henryk Gericke


Das Versprechen des Pop, dass an einem fremden Ort wunderbare Dinge geschehen, wird gerade verzweifelt gesucht, in staubigen Plattenkisten von Istanbul bis Phnom Penh, im vermeintlich authentischen Sound der knisternden Vergangenheit. Die Nostalgiemaschine läuft auf Hochtouren, treibt Leute in den Wahnsinn und Vinylpreise in die Höhe. Dabei vergisst man, dass Pop dieses universelle Gespenst, dieses Wunder, vor unseren Augen passiert, im Hier und Jetzt, an den verrücktesten Plätzen fernab von Nostalgie. So zum Beispiel in Tamanrasset, im Süden Algeriens.

Iyad Moussa Ben Abderahmane aka Sadam, Tahar Khaldi, Hicham Bouhasse, Haiballah Akhamouk und Abdelkader Ourzig sind alle gemeinsam aufgewachsen in Tamanrasset, in einer Tuareg Gemeinschaft von nordmalischer Abstammung. Sie alle sind Mitglieder der Band Imarhan.

Für manche sind sie die Band der Stunde, auf jeden Fall repräsentieren sie eine neue Generation von Künstlern, denen es gelingt, trockene Gitarrenriffs, Pop-Melodien, panafrikanische Rhythmen mit traditioneller Tuareg Musik zu verschmelzen, um so einen ganz eigenen Sound zu erschaffen. Keine andere Tuareg-Band hatte bislang eine derartige Varianz in Rhythmen, Tempo und Gefühl. Das Album ist eine Art Résumé von Imarhan, jeder der Songs hat seine eigene Persönlichkeit und ist wie eine Art Visitenkarte, mit der man sich bei anderen vorstellt. Jeder Song behandelt ein spezifisches Thema, es geht um Liebe, es geht um das Tuareg-Leben, es geht um soziale Probleme, um allgemeine Fragen oder einfach das ganz normale Leben und die Wüste, die Natur, erklärt Frontmann Sadam.
Imarhan selbst haben einen direkten Link zur Band, die alles losgetreten hat: Tinariwen. Eyadou Ag Leche von Tinariwen ist ein Cousin von Imarhan’s Frontmann Sadam und hat die Entwicklung der Band von Anfang an begleitet und auch geleitet und hat ein paar der Songs auf dem neuen Album produziert und mit geschrieben. Aber Imarhan gelang es relativ schnell, sich zu emanzipieren. Diese neue Welle von Tuareg Musik klingt ganz anders als die hypnotischen und psychedelischen Gitarrensounds von Mdou Moctar oder Group Inerane und auch anders als die fast schon traditionellen Rhythmen der Wegbereiter Tinariwen.

Die Songs von Imarhan sind komplex, poetisch und urban, irgendwie vertrackt, aber mit sehr viel Feingefühl. Es gibt viel Raum in den einzelnen Songs, zum Nachdenken und Abdriften, aber gleichzeitig wirken die Songs sehr intim. In tarmashek, der Muttersprache der 5-köpfigen Band aus Tamanrasset, Südalgerien, steht Imarhan für „die, die mir etwas bedeuten/um die ich mich kümmere.“ Musik, die alle Knöpfe drückt und einen unglaublichen Sog entwickelt, der einen nicht mehr loslässt. Das Debütalbum von Imarhan könnte die Idee, die der westliche Hörer von populärer Tuareg Musik hat, demontieren.

Es ist sehr schwierig, Highlights eines solchen kohäsiven Albums zu verorten –  Der Titeltrack "Imarhan" zusammen mit der ersten Single "Tahabort" sind die bemerkenswertesten Ausnahmen von der klaren Verträumtheit dieses Albums. Das ganze Album nimmt einen mit, auf eine emotionale und introspektive Reise. "Bad Ichijou" ist ein perfektes Beispiel, mit seinen windigen, gehauchten Obertönen. “Arodj" zeigt die Soul- Einflüsse und Songwriting-Fähigkeiten der Band – eine Melodie, der es gelingt, den Geist des Tuareg-Volkes zu transportieren, aber gleichzeitig zeitgenössisch, berührend und universal.

Tickets kosten 24,- Euro bzw. 20,- Euro (ermäßigt).

  

 

               
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