Auch so ein Sprach-Klischee: „Kontemplative Versenkung“. Zur Ankündigung von Nohome, dem neuen Projekt von Caspar Brötzmann, eignet es sich aber. Beobachtet man Brötzman während seiner Konzerte an der Gitarre, kommt man zu keinem anderen Schluss, als dass es offenbar das ist, was ihm sein brachiales Lärmen verschafft: Meditative Ruhe. Die handwerkliche Güte hat ihm ein Lob von höchster Stelle eingebracht: Für Thurston Moore sei Brötzmann wohl der beste Gitarrist, den er je traf. Gitarrist trifft es zudem nur halb, Brötzmann wird vornehmlich als „E-Gitarrist“ apostrophiert, und das „E“, das ist Programm. Als Nohome konstruiert Brötzmann mit Bassist Marino Pliakas und Schlagzeuger Michael Wertmüller – zwei Schweizer Avantgarde-Musiker, deren Wege sich mit Brötzmann in der Vergangenheit schon mehrfach kreuzten – grollenden Starkstrom-Noise. Die Mittel, die Brötzmann selbst einsetzt, sind dabei ähnlich denen, die er bereits in den Neunzigern mit dem Caspar Brötzmann Massaker kultiviert hat: Die Tonabnehmer seiner Gitarre, alles Mechanische an dem Instrument, das sich in Schwingung versetzen lässt, interessieren ihn beinah mehr zur Erzeugung stählerner Klänge als die Saiten selbst. Virtuos verbindet er elektroakkustische Feedbacks mit den perkussiven Qualitäten der Gitarre.
Wenn Brötzmann die Klinge ist, sind Pliakas und Wertmüller der Laib: Nicht minder versenkt und mit äußerster Ruhe sorgen sie für einen veritablen Grundpegel. Wenn Pliakas’ Bass ruht, dann nur kurz, um schnell wieder gestartet zu werden, als werde hinter einer dünnen Mauer schweres Dieselgerät angelassen. Wie Wertmüller sein Schlagwerk physisch durchhält, wäre eine Frage, deren Erörterung lohnt. Aufzuspielen wie eine Herde Gewitter, muss jedenfalls entkräften. Zum ersten Mal kamen die drei Musiker im Sommer 2012 für das „A l’Arme“-Festival im Radialsystem zusammen. Kurz darauf gaben sie dort schließlich ihr erstes Konzert als Nohome und nahmen dabei das aktuelle, selbstbetitelte Album auf – unterstützt von Extrem-Percussionist und Ex-Neubauten-Mitglied FM Einheit, der Nohome auch beim Konzert in der Volksbühne unterstützen wird.
Vor Nohome wird Robert Lippok den Abend eröffnen. Seinen deutlich fragileren Kompositionen, seiner Klangforschung kommt die Herkules-Aufgabe zu, Nohomes facettenreichen Furor vom Alltagslärm der gestressten Stadt abzugrenzen. Wobei „Forschung“ deutlich zu akademisch klingt: Lippoks Stücke kommen keinesfalls aus dem Elfenbeinturm, sie haben vielmehr den Ruch von harter Programmierarbeit, wie sie sich hinter gut funktionierender Clubmusik verbirgt. Bei allem Flimmern und Plackern, bei aller Klangweiterverarbeitung und Geräuschverstellung ist bei Lippok immer auch Platz für einen Bass. Seine Musik lebt von scheinbar unergründbarer Tiefe, auf der Fragmente und Strukturen perlen und verebben. „Redsuperstructure“ heißt sein aktuelles Album, das in bester Gesellschaft auf Carsten Nicolais Label Raster Noton erschienen ist und das er ebenso auszugsweise vorstellen wird wie „Instant City“, einer Auftragsarbeit für die Akademie der Künste. Auch die Volksbühne ist für Robert Lippok, der in vielerlei Projekten steckt, kein fremdes Terrain: Mit Regisseur Sebastian Baumgarten setzte er als Bühnenbildner „Tosca“ im Großen Haus um. Im November war er mit dem japanischen Gitarristen Takeshi Nishimoto zwei Wochen lang auf Japan-Tournee, mit seiner Band To Rococo Rot hat er gerade neues Material aufgenommen – gemeinsam mit dem amerikanischen Gitarristen und Klangkünstler Arto Lindsay.
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