„Meine Mutter ist bei meiner Geburt ohnmächtig geworden, entsprechend ausgeprägt war schon immer mein schlechtes Gewissen.“ Wer so auf die Welt kommt, hat schlechte Karten. Einsam wie ein Samurai-Krieger und tapfer wie Don Quijote erkundet Jochen Schmidt in 32 neuen Texten Möglichkeiten, trotz Neurosen und ignoranter Mitmenschen doch noch glücklich zu werden. Auf dieser Suche erweist sich so manche Schwäche und vermeintlich nutzlose Angewohnheit als wichtige Körperfunktion, ja als geradezu überlebensnotwendig: wenn aus dem Selbstmord im letzten Moment nichts wird, weil man daran denkt, dass es nicht schön wäre, in einer vermüllten Wohnung gefunden zu werden und die Zyankalikapsel gegen einen Putzlappen eintauscht; oder wenn man hässliche Passanten aufgrund einer Sehschwäche dankenswerterweise nicht mehr sehen muss. Aber auch hilfreiche Antworten auf die kleinen und großen Fragen des Lebens bietet der Band. Welche Konsequenzen es haben kann, die Bonbonpackungsaufschrift „Nimm 2“ ernst zu nehmen; warum in Särgen soviel unnötiger Zwischenraum für Luft ist; wie man Schlafstörungen vorbeugt; sowie: was Ralf mit Michael Schumacher und Yin und Yang miteinander zu tun haben.
Von A wie Autismus über O wie Optionsparalyse bis V wie Vergeßlichkeit bietet „Meine wichtigsten Körperfunktionen“ ein hilfreiches Lob der Untugenden. Und es ist keine kleine Kunst, wie Jochen Schmidt den Leser sich in diesem sehr persönlichen Sammelsurium wiedererkennen lässt – und am Ende auch über sich selbst zum Lachen bringt.
„Ein Leben ohne meinen Körper könnte ich mir nur noch schwer vorstellen. Alles, was ich über die Welt weiss, verdanke ich ihm. Zwar sind die meisten seiner Eigenschaften lästig, aber ich möchte sie nicht missen, weil sie für Abwechslung sorgen und womöglich das einzige sind, was an mir originell sein könnte.“ Jochen Schmidt
Jochen Schmidt, 1970 in Berlin geboren, studierte dort Informatik, Germanistik und Romanistik. Er liest jede Woche in der „Chaussee der Enthusiasten“ in Berlin (www.enthusiasten.de), daneben arbeitet er als Übersetzer aus dem Französischen und Katalanischen und schreibt Reiseführer. 1999 war er Preisträger beim Open-Mike-Wettbewerb der LiteraturWERKstatt Pankow, 2004 erhielt er den Förderpreis für Komische Literatur.