In der Türkei ist nicht nur politisch einiges im Umbruch – auch in der Kunst- und Kulturszene brodelt es gewaltig. Einen regelrechten Wandel erlebt derzeit die junge türkische Literatur: Sie ist widerspenstig, ihre Sprache bahnt sich ihren eigenen Weg, sie lässt sich keiner gesellschaftlichen Strömung zuordnen. Sie sucht nach Identität und hinterfragt die Rechte des Einzelnen. Es ist die Epoche der Individualisten, der Fragestellenden, die sich selbstbewusst den Problemen des Individuums, seiner Einsamkeit und der Gewalt des heutigen städtischen Lebens stellen.
Die jungen Autoren verweigern sich einer generalisierenden Einordnung, historisch und politisch. Aber – sie werfen den Blick auch zurück in die dunklen Phasen der türkischen Geschichte und bringen sie mit neuen ästhetischen Mitteln aufs Papier. Doch – was erreicht uns hier in Deutschland von diesem produktiven Ausbruch? Was verbinden wir mit der Türkei jenseits von Minarett und Kopftuch?
Das Literaturfestival DilDile will einen übergreifenden Eindruck des vielfältigen Panoramas der türkischen Literaturszene bieten. Ziel des Festivals ist es, neue und alte Leser anzulocken und die türkische Literatur längerfristig in den Berliner Literaturbetrieb einzugliedern. Die Volksbühne, als wichtige Kulturinstitution und geschichtsträchtiger Ort im Zentrum Berlins, wurde von uns gewählt, um türkische Kunst und Kultur weg von den Rändern und hin zur Mitte zu tragen. Denn die türkische Kultur ist kein Fremdkörper, sie gehört zur deutschen Kultur.
Der türkische Name des Festivals DilDile «von Sprache zu Sprache» steht für Aufgeschlossenheit und Dialog: DilDile bietet Raum für Austausch und Auseinandersetzung zu Themen wie Erinnerung, ethnischer Vielfalt, Widerstand, Identität und Sprachästhetik.
Vom Plot her gleichen sich die beiden Romane „Zorn“ (Unionsverlag, 2008) von Murat Uyurkulak und „Teil der Lösung“ (rororo, 2009) von Ulrich Peltzer. Eingebunden in einen spannenden Gegenwartsroman geht es in beiden Werken um die literarische Rekonstruktion der verdrängten Geschichte der Linken in ihren Ländern. Und sie fragen nach den Möglichkeiten einer künftigen Veränderung. Die Hoffnung auf die (un)mögliche Revolution haben sie nicht aufgegeben. Ulrich Peltzer und Murat Uyurkulak gehören zu den politisch und ästhetisch avanciertesten Autoren in ihrer Heimat.