Volksbühne Berlin am Rosa-Luxemburg-Platz
 

Lulu oder Wozu braucht die Bourgeoisie die Verzweiflung

Eine Operavision von Christian von Borries und Catherine Sullivan. Finanziert mit Unterstützung des Hauptstadtkulturfonds.


Lulu, die surrealistische Schreckvision der Moderne als barbarische Wildnis, so würde die Figur im Theater normalerweise wohl verhandelt. In ihrer »Operavision« suchen der Dirigent Christian von Borries und die Videokünstlerin Catherine Sullivan den Dialog mit dem Stummfilm »Die Büchse der Pandora« von G.W. Papst, der wie kein anderer die Ikone Louise Brooks zelebriert, und der Musik zur Oper »Lulu« von Alban Berg, bei der sich Hollywood bediente. In der Begegnung eines mythischen Stoffs mit dem Schicksal der Schauspielerin, die »Lulu« so unnachahmlich verkörpert hat, stoßen sie auf ein altes Problem: »She claim she only with me for the currency. You cut me deep bitch, cut me like surgery.« So beschreibt es der Rapper Kanye West in seinem Track »Bittersweet Poetry«.

Catherine Sullivan baut eine dreidimensionale Videoinstallation voller geschichtlicher Referenzen. Sie dreht auf abgelaufenem ukrainischen Filmmaterial, inszeniert eine sexuell aufgeladene Begegnung eines in die Jahre gekommenen Theatermannes mit der alternden Louise Brooks, und dann sind da natürlich die Szenen aus »Die Büchse der Pandora«. Inmitten der Installation sitzt ein fast dreißigköpfiges Orchester, von Mikrofonen abgenommen, das Bergs Musik spielt, als sei sie »Alien«. Die akustisch erzeugten Tonsignale werden elektronisch in Echtzeit verändert. Das Ergebnis klingt, als komme die Musik aus unterschiedlichen Räumen. Es handelt von nichts weniger als dem Messer in der Vagina, wenn wir Louise Brooks glauben wollen, vom Zusammenstoß zwischen Liebe und Kapitalismus. Sexualität blieb der Punkt, um mit Adorno zu sprechen, an dem die Gesellschaft, gleich welchen politischen Systems, nicht mit sich spaßen läßt, und das brennt der künstlerischen Erfahrung sich ein.

Wir sehen Endlosschleifen in Bild und Ton. Gleiche Bilder werden mit unterschiedlichem Tonmaterial aufgeladen (und umgekehrt). Es wird nicht gesungen, nicht gesprochen. Die BesucherInnen werden Teil einer Versuchsanordnung, die sich in der Konfrontation von umgearbeiteten Materialien unterschiedlichen historischen Ursprungs mit Fragen des geistigen Eigentums, Nachahmung und Transformation beschäftigt. Was wird aus dem Original, wenn die Kopie aufhört, eine Kopie zu sein?

Music Prozessing: Michael Iber
Filmregie: Catherine Sullivan
Berliner Symphoniker
Gesamtleitung: Christian von Borries
Produktion: Celina Nicolay

  

Ermöglicht durch Mittel des Hauptstadtkulturfonds

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