Volksbühne Berlin am Rosa-Luxemburg-Platz
 
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Meistersinger

Eine Inszenierung von Frank Castorf nach Richard Wagner und Ernst Toller


In Richard Wagners „Die Meistersinger von Nürnberg“ (1868) wird in erster Linie davon gesungen, wie man richtig singt. Wagners besonders deutsches Ideendrama und einzige komische Oper ist das Kraftfeld für die Reflexion über eine Gesellschaft anhand ihres Kunstbegriffs. Den politischen Konflikt zwischen Progressivem und Konservativem spiegelt er an einem ästhetischen: Im Singwettstreit konfrontiert er das Beharrungsvermögen der in ihrem dogmatischen Regelwerk erstarrten meistersingerlichen „Spießbürger“ (wie Wagner sie nannte) mit dem revolutionären Elan des Adligen, der ihre Regeln erneuert, indem er sie verletzt. Bei Wagner werden Inspiration und Handwerk auf der Festwiese miteinander versöhnt. Und der beste Künstler bekommt als Preis die Superfrau. Wenn Frank Castorf den Umweg Oper geht, nimmt er Wagner in seiner Widersprüchlichkeit ernst. Auf der Bühne von Jonathan Meese werden die Ungleichzeitigkeiten dieses Werks wieder aufgerissen und zu einer Versuchsanordnung für Revolutionäre zwischen Schlachtfeld und Spielzimmer, Salon und Knast, Subvention und Subversion. Gemeinsam mit dem Tenor Christoph Homberger und den Pianisten Christoph Keller und Stefan Wirth unternimmt Castorf eine Konzentration und Entgrenzung der Oper. Stefan Wirth hat die Partitur für zwei Klaviere und ein Bläserquintett arrangiert. Abseits vom Opernbetrieb mit seiner Fixierung auf Gesangsstars und Belcanto wird der Wagnergesang hier von der anderen Seite her, der textdeklamatorischen, begriffen: Schauspieler werden zu Wagnersängern. Damit wird eine Annäherung an das möglich, was Wagner sich jenseits der gängigen Opernpraxis unter der „Oper als Drama“ vorgestellt hat. Castorfs „Drama als Oper“ führt die Stimme auf ihr politisches Moment zurück. Kollegen aus Kantine, Büros und Gewerken verändern die Produktionsverhältnisse und formieren sich zum Chor der werktätigen Volksbühne. Indem Castorf Ernst Tollers Revolutionsdrama „Masse Mensch“ (1919) ins Spiel bringt, fragt er in expressionistischer Thesenhaftigkeit nach dem Verhältnis von Individuum und Kollektiv. Wie ist gemeinschaftliches Handeln möglich in einer Gesellschaft von Individualisten? Können wir ein gemeinsames Bewusstsein haben, oder sind wir uns nur darin einig, Individualisten zu sein? Jutta Wangemann, 2006 Premiere am 30. Mai 2006 am Grand Théâtre de Luxembourg Berliner Premiere am 21. September 2006 in der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz
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