Den Abschluss der Musikzonen-Trilogie im Mai zur Aktualität des Neinsagens bildet das Gastspiel einer Gruppe, die den thematischen Bezug bereits im Namen explizit macht. Negativland sind ein in wechselnder Besetzung in Aktion tretendes Multimedia-Projekt, das sich seit seiner Gründung im Jahr 1980 – genau dem Zeitpunkt, als die umfassende Digitalisierung kultureller Information die bestehenden Regelungen zu Fragen des Copyrights in eine in ihrem ganzen Ausmaß erst heute vollständig erkannte Krise zu stürzen begann – mit dem Diebstahl und der Umcodierung von Sounds, Bildern und Texten aus dem weiten Feld der Massenkultur beschäftigt. Berühmt wurde das Ensemble durch die Veröffentlichung einer Audio-Arbeit mit dem Titel »U2«. Sie hatten einen jahrelangen Rechtsstreit mit einer bekannten irischen Rockband wegen Verletzung des Urheberrechts zur Folge, der Negativland beinahe ins den wirtschaftlichen Ruin getrieben hätte, aber das Projekt auch zu einem Ikon der von Naomi Klein angeführten »No Logo«-Bewegung machte.
Bei ihrem Auftritt in der Volksbühne bringt die Gruppe eine eigens für das Theater konzipierte Fassung eines seit 25 Jahren bestehenden Radioprogramms mit dem Titel »It’s All In Your Head FM« zur Aufführung. Die am ehesten als Live-Hörspiel zu beschreibende dokumentarische Collage aus Musik, Sound- und Dialogschnipseln, Sprechern und Klangeffekten, vorkonzipierten Passagen und Improvisation versteht sich als akustische Abenteuerreise zum Thema Monotheismus. Der exzentrische Moderator Dr. Oslo Norway führt das Publikum durch einen ereignisreichen Abend, der nicht nur die monotheistischen Religionen und das Konzept eines transzendenten Gottes in den Blick nimmt, sondern auch die Rolle reflektiert, die das menschliche Gehirn beim Phänomen des Glaubens spielt: Immer wieder überraschend, skurril und haarsträubend, zugleich aber auch ernsthaft und herausfordernd. Das Programm ist exzellente Unterhaltung, akustisches Erlebnis und komplexe Reflektion zugleich, das mit dem festen Vorsatz antritt, das Publikum in seinen Benn zu schlagen – auch Tage nach der Vorstellung sorgen die provokanten Gedanken und die eindrücklichen Erlebnisse für eine andauernde Auseinandersetzung mit den Mitteln der klanglichen Gestaltung, des komplexen Humors und der alles entscheidenden Frage: „Who is this God person, anyway?“.
