Volksbühne Berlin am Rosa-Luxemburg-Platz
 

Figures of Silence

Politische Kunst in Russland und Deutschland. Mit Oksana Shalygina, Philipp Ruch, Dmitri Dinze. Moderation: Fabian Scheidler


Podiumsdiskussion. Russisch und Deutsch

Aufgrund seiner letzten Aktion „Bedrohung“ wird Pjotr Pawlenski nicht an der Präsentation seiner Arbeit teilnehmen können. In den frühen Morgenstunden des 9. November 2015 zündete er die Eingangstür des russischen Bundes-Geheimdienstes FSB an, der noch immer im Gebäude residiert, von dem aus in den 30er Jahren die Stalinschen Säuberungen organisiert wurden. Nachdem das Feuer eine Minute brannte, nahm ein herbeieilender Verkehrspolizist Pawlenski fest. Begleitet wurde Pawlenski von zwei russischen Journalisten, die die Aktion dokumentierten. Die Bilder gingen um die Welt. Im gerade stattfinden Gerichtsprozess äußerte sich Pawlenski: „Die brennende Tür der Lubjanka ist der Fehdehandschuh, den ich dem FSB ins Gesicht geworfen habe.“ Er plädierte, dass sein Fall nicht als Brandstiftung sondern als Terrorismus behandelt werden soll.

In der Video-Lecture „Figures of Silence“ stellt Pawlenskis Mitarbeiterin Oksana Shalygina seine Arbeit vor und erklärt, wie Pawlenski mit seinen Aktionen staatliche Institutionen zu Reaktionen zwingt. Anwesend ist zudem Pawlenskis Anwalt Dmitri Dinse, der Pawlenski ebenfalls bei dem Gerichtsverfahren wegen der Majdan-Solidaritätsaktion „Freiheit“ vertritt. Das anschließende Gespräch mit Philipp Ruch (Zentrum für politische Schönheit) und Fabian Scheidler („Das Ende der Megamaschine“) verhandelt Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Situation politisch engagierter Kunst in Russland und Deutschland.

Medien verzerren Ereignisse, reißen sie aus dem Kontext, geben ihnen eine neue Bedeutung. Doch egal, was über Pawlenskis Aktionen im russischen Fernsehen berichtet wurde, welches Echo sie in der internationalen Presse hervorgerufen haben: Sie sind mit sich identisch geblieben. Ein abgeschnittenes Ohrläppchen auf dem Dach einer psychiatrischen Klinik, ein Nagel durch den Hodensack auf dem Roten Platz, ein Mann in Stacheldraht eingewickelt vor der Justizverwaltung in Petersburg. Punkt. Pawlenskis Kunst widersetzt sich der Vereinnahmung und verortet sich außerhalb des zeitgenössischen russischen politischen Systems. Seine Aktionen schweigen in äußerster Lautstärke. Sie sind radikal in ihrer Ästhetik, riskant und schockierend. Pawlenski positioniert sich offen gegen Russlands Ukrainepolitik, gegen die Diskriminierung der LGBT-Community, gegen die zunehmende Nationalisierung. Seine Aktionen spiegeln den Zustand der russischen Gesellschaft und sind offen für Zuschreibungen. Die russischen Gerichte und die Politik versuchen sich an der Deutung, kommen aber zu keinem Abschluss. Die Aktionen sind weder Zeichen einer psychischen Erkrankung, noch Protest, noch Hooliganismus. Sie sind die Infragestellung dessen, was in Russland als Norm begriffen wird.

Die Diskussion mit Philipp Ruch vom Zentrum für Politische Schönheit und Fabian Scheidler, Autor von „Das Ende der Megamaschine“, sucht nach Wegen, der Vereinnahmung von Kunst zu entgehen: Wie können sich künstlerische Aktionen der Medien als Verstärker bedienen, ohne von ihnen instrumentalisiert zu werden?

Tickets kosten 12,- Euro bzw. 8,- Euro (ermäßigt).

  

NORDWIND-Festival

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