Dieser Abend ist ungewöhnlichen, visuellen Perspektiven gewidmet, die teilweise die klassische Kinosituation hinterfragen. Marie Catherine Theiler und Jan Peters stellen in ihrer Lecture Performance CERN MATERIAL TRIGGER 42 Filmmaterial vor, welches am Kernforschungszentrum CERN in Genf entstanden ist und gewähren Einblicke in ein Universum, in dem Wissenschaftler Regeln aufstellen, um Anomalien untersuchen zu können, auf der Suche nach den letzten Dingen, die hier Elementarteilchen heißen. In Michael Buschs Arbeit STRANGE MATTER werden Musik, Texte und Bilder zu einem Live-Film verwoben, der vor den Augen des Publikums entsteht. Bernhard Sallmanns neuer Dokumentarfilm hingegen ist ein klassischer Kinofilm, der die Texte Fontanes wieder zurück über die Landschaft legt, aus der sie einst generiert wurden.
CERN MATERIAL TRIGGER 42 Am Europäischen Kernforschungszentrum CERN suchen Wissenschaftler nach den physikalischen Grundlagen des Universums. Mit Hilfe eines Teilchenbeschleunigers simulieren sie den Urknall und sammeln davon Daten. Die Menge der Daten übersteigt alle Rechnerleistungen. Für die Analyse werden deshalb nur bestimmte Daten herausgefiltert. Diesen Vorgang nennt man „Trigger-Selektion“. Auf über 3500 am CERN während eines Künstlerstipendiums entstandene digitale Filmaufnahmen wird der TRIGGER 42 angewendet: Alle Files mit der Endnummer 42 werden herausgefiltert. Dabei kann es zu Anomalien kommen. Hinter Anomalien können sich neue Entdeckungen verbergen, deshalb müssen sie genau analysiert werden. Urknall und Schöpfungsmythen begegnen sich im Kabelsalat und den ungeheuren Datenmengen, die ungetriggert niemand bewältigen kann.
STRANGE MATTER Seltsame Materie kommt auf der Erde nicht in stabiler Form vor. Verschwörungstheorien zufolge kann Seltsame Materie auch unsere stabile Materie in einen seltsamen Zustand überführen, sie gar verschlucken. Insofern ist das Auftreten von Seltsamer Materie immer gefährlich. In großen Teilchenbeschleunigern wie am Large Hadron Collider am CERN muss das Risiko, dass Seltsame Materie entsteht, minimiert werden. Die Flüchtigkeit der Materie, der Bilder und Gedanken, ihre „strangeness“ ist der Kern der Arbeit von Michael Busch. Er arbeitet bei dieser audiovisuellen Partitur mit mehreren Super 8 Projektoren, Dias und Video, überblendet Bilder, spielt Texte ein, macht Musik rund um einen präparierten Konzertflügel. In einer Mischung aus Konzert und Film-Performance entsteht so aus banalen Super8 Filmen eine dystopische, vielschichtige Filmerzählung, in der Überschwemmungen, kontaminiertes Wasser und endlose Regenfälle eine große Rolle spielen. Die Zuschauer sind eingeladen, sich frei im Saal zu bewegen, sowohl vor als auch hinter der Leinwand den Filmemacher und den Film in seinem Entstehungsprozess zu beobachten.
ODERLAND.FONTANE Bernhard Sallmann reist für seinen neuen Film Richtung Osten an die Oder und schichtet Zeiten übereinander. Zum Einen die Gegenwart einer Landschaft, die Sallmann in betörenden Stillleben einfängt. Die gleißende Oder, Stichkanäle, Schwemmland, vereinzelt Gebäude, Menschen, Tiere. Zweimal wird es Winter im Oderbruch, die Wolken ziehen, die Vögel lärmen. Dann sind es die Texte Fontanes, die in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden, die die Landschaft literarisch reflektieren. Und in diesen Texten gibt es weitere Schichtungen, denn Fontane ist Chronist, er berichtet und zitiert aus Jahrhunderte alten Quellen und so erfahren wir von Hexenverbrennungen, von patenten preußischen Adelsfrauen, der düsteren Stadt Küstrin, von Chamissos Herbarium in Kunersdorf, aber auch von Hirschen, die zur Paarungszeit den weiten Weg von Pommern ins Oderland antreten und vom Kampf gegen die Kormorane vom Werbellinsee. Conny Klaus schreibt in ihrem Text zu Oderland.Fontane, der im deutschen Wettbewerb auf der Dok Leipzig lief: „Sallmanns Film enthält viele Botschaften, auch die: Lest Fontane und lernt sehen!“
Tickets kosten 8,- Euro bzw. 6,- Euro (ermäßigt).