Dieser Film führt beispielhaft vor, wieviel Komplexität sich hinter den sogenannten einfachen Fragen verbergen. Er geht den umgekehrten Weg der Populisten, indem er mit einer einfachen Fragestellung beginnt: Was bedeutet für dich Redefreiheit? Tarquin Ramsay hat mit fünfzehn Jahren damit zuerst seine Mitschüler, dann seine Lehrer belästigt. Mittlerweile ist er zwanzig und versammelt in seinem Film das Who is Who der Hacker- und Free Speech-Szene.
Der Film nimmt ein rasantes Tempo auf. Kaum hat noch seine Lehrerin, Fachkraft für globales Bewusstsein, gesagt, ohne persönliche Betroffenheit sei es schwer, sich für solche Dinge wie Rede- und Meinungsfreiheit einzusetzen, man brauche das Gefühl oder die Erfahrung der Ungerechtigkeit, schon sitzt der Jugendliche dem Wiki Leaks- Gründer Julian Assange gegenüber, der ihm mit großer Klarheit Kommunikation als die Basis jeder freien Gesellschaft erklärt. Es fühlt sich ein wenig an wie bei Pur+, aber die Botschaft kommt sehr klar an: Wir müssen die Welt verstehen können, um darin zu interagieren, aber Vieles an Information wird uns vorenthalten. Die Mündigkeit der Bürger steht auf dem Spiel.
Der Schauspieler Jude Law engagiert sich für die Theatergruppe Freies Theater Belarus, die unter Lukaschenkos Verfolgung zu leiden hat und dennoch nicht aufhört, ihre Stimme mit den Mitteln von Tanz und Theater zu erheben, weil in der Diktatur ansonsten die Menschen verstummen. Später wird in einem Cyberpunk-artigen unterirdischen Schutzbunker in Berlin ein Hacker überlegen, welche Ausdrücke er in Emails verwenden darf, dass sie durch die Algorithmen staatlicher Überwachung flutschen. Im Spinnennetz von Bürgerrechten und Technologie geht es immer komplexer zu. Die Freiheit der Kommunikation wird doppelbödig, denn sie beinhaltet im Zeitalter der Überwachung auch die Schaffung von Privatsphäre, von digitalen Rückzugsorten. Längst sind wir als Wesen aufgespalten in unser physisches Selbst und unseren digitalen Doppelgänger, den wir formen dürfen sollten. Die menschliche Evolution hängt von Kommunikation ab, vom Verbreiten des Wortes. Wir sind jetzt zugleich private und öffentliche Wesen, nicht nur die Freiheit der Rede, auch die Freiheit nach der Rede ist wichtig.
Viel Berlin ist in dem Film. Tarquin Ramsay reist hierher, besucht Jacob Appelbaum und Sarah Harrison, die hier gestrandet sind, und viele weitere bekannte Hacker und Aktivisten der Szene. Man zeigt ihm die Abhörstation Teufelsberg und er wird von einem 11jährigen Mädchen in den Monsterkeller der Dead Chickens ins Eschloraque geführt. Die mechanischen Monster fletschen rührend die Zähne und dem Data Doppelgänger gruselt es.
Michael Busch
Tickets kosten 8,- Euro bzw. 6,- Euro (ermäßigt).
Free Speech - Fear Free Teaser 2016 from Whistleblower Interview Project on Vimeo.