Volksbühne Berlin am Rosa-Luxemburg-Platz
 

Strepitolino – I giovanotti disgraziati

Text und Regie: René Pollesch


“Rumpelstilzchen – die undankbaren Jünglinge, oder Jünglinge „non grata“, oder hässliche junge Leute, ist der Titel des dritten „italienischen“ Stückes im Prater. Es handelt von Fiat, Agnelli, der Mafia, Agamben und von einem starken, positiven und leider noch unlesbaren Ersatzgefühl für die „authentische“ Liebe, von einem noch zu erfindenden emotionalen Gewinn aus Entfremdung. Gefühle, die nicht länger an diesen gehorsamen Körper gekoppelt sind und seinen trostlosen Gang durch Tourismuszentren und Biopolitik, und alles was ihm sonst noch in echt „zustösst“. Wir können nur mit uns „ohne uns“ leben, das ist irgendwie gesünder. Wie alkoholfreies Bier konsumiern, das fun-beer heisst. Und bei diesem „fun“ muss es sich um einen Gewinn aus Entfremdung handeln. Machen wir uns nichts vor! „Das ist die Lage des letzten Hedonisten. Alles ist erlaubt, alles steht zum Genießen bereit, aber es fehlt die Substanz, denn die ist gefährlich.“ (Slavoj Zizek) Gut so! Ich will nicht, dass mir alles zustösst, die Liebe, das Leben... Das ist mir zu authentisch, denn...: Ach die Körper! Die gehorchen doch nur. An denen ist doch nichts dran, ausser Gehorsam! Es ist allerdings die Macht, die uns zustösst, und jenseits von Ausdruck und Erinnerung sprechen jene Texte von den gelebten Leben, die sie aus der Welt geschafft haben. Die Texte der Polizisten, die Internierungsregister, für die Foucault sich interessierte. Die Leben, die aus der Welt geschafft werden, die anderen Leben, die unlesbaren Leben, wo kommen die denn vor? In den Sätzen, die jenseits des Ausdrucks und Literatur, und jenseits des Ringens um Universalität und Lesbarkeit, die gelebten Leben dem Schweigen entreissen, in dem Moment, in dem sie sie aus der Welt schaffen. Die Spuren eines anderen, über die Subjekte hinaus gehenden, unlesbaren Lebens.“ René Pollesch, 2006 „Nur die nichtmarkierte männliche Heterosexualität, die eben genau dem Jargon entspricht, der nicht weiß, dass er auch ein Jargon ist und nicht die natürliche Sprache, ist der einzige sexuelle Dialekt, der (bei Pollesch) nicht zu Wort kommt. Wohl weniger deswegen, weil er der hegemoniale ist, sondern weil seine Sätze die Gefahr bergen als nichtmarkierte, als normale Sätze gelesen zu werden. Und das würde dieses Theater tatsächlich nicht zulassen: den Satz, der das Recht der unbekümmerten Alltäglichkeit und ihrer Ideologie einklagt.“ (Diedrich Diederichsen in: René Pollesch „Prater-Saga“, Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz/Alexander Verlag Berlin, 2005) Premiere am 16. Februar 2006 im Prater der Volksbühne
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