Volksbühne Berlin am Rosa-Luxemburg-Platz
 

Titus Andronicus

von William Shakespeare


Das „dümmste Stück, das je geschrieben wurde“ oder das abgedrehteste: 17 Morde, eine Handvoll formvollendeter Verstümmelungen, eine sprachlich hochwertige Vergewaltigung am Mädchenleib, Ovid-Zitate, finstere Intrige, höfisches Wortgefecht, triefender Zynismus, sublime Politik und Schwertschlag, Schwarz und Weiß und grobes Gemisch, spätrömische Dekadenz und Barbarei, das alles und eigentlich kaum mehr, wirbelt Shakespeares frühe und umstrittenste Tragödie auf. Der Staub der Jahrhunderte über diesem Stück verfliegt bei der ersten Inhaltsangabe, und spätestens seit Heiner Müllers Adaption ANATOMIE TITUS FALL OF ROME ist vorstellbar, was Müller seinem SHAKESPEAREKOMMENTAR voranstellt: „Der Menschheit / Die Adern aufgeschlagen wie ein Buch / Im Blutstrom blättern.“ Blutstrom und Staub bilden den schlammigen Humus für eine der prächtigsten Spielvorlagen des Theaters überhaupt.

Die Rasterung aus Pathos, Horror, Trash und Splatter, aus Grand Guignol und vollabsurder Comedy setzt Sebastian Klink mit Studenten des 3. Studienjahrs der Schauspielschule „Ernst Busch“ auf der Probebühne um. Die jahrhundertelang als Machwerk von zweifelhafter Autorschaft verschriene „most lamentable tragedy“ gilt gemeinhin immer noch als Schmutzfleck auf der weißen Weste des Schwarzen Schwans vom Avon. Der irre Plot in einem Satz: Die Bedrohung der eigenen Kultur durch eine fremde vor Augen, geht siegreicher römischer Militär in die Politik, demütigt seine Gegner, opfert seine Familie, wird selbst geopfert, und rächt sich sterbend bitter, bevor der Vorhang fällt vor einer neuen Wirklichkeit, ein einziges Massaker.

In komprimierter Besetzung wird auf engstem Raum die Tragödie seziert. Grundlage ist die Übertragung Johann Joachim Eschenburgs, der 1778 als erster Nachdichter den kompletten Shakespeare in den deutschen Sprachraum brachte. Die Annäherung an den neuen dramatischen Kontinent vermengt Demut und Erstaunen, Rohheit und Reinheit, barocken Schwall und beflissene Deutung mit dem Furor des Originals. Sie hebt den Stoff auf ein ästhetisches Niveau, das in seiner Besonderheit auf deutschen Bühnen selten ist. Beste Voraussetzungen für studentische Spielwut, die sich hier ausprobieren kann und abkämpfen wird.

Spieldauer: 2 Stunden

  

Mit: Thieß Brammer, Carolin Hartmann, Deleila Piasko, Gabriel Schneider, Sebastian Schneider, Marcel Schubbe, Marvin Schulze und Rouven Stöhr

Regie: Sebastian Klink
Licht: Johannes Zotz
Video: Konstantin Hapke
Ton: Christopher von Nathusius

In Kooperation mit der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“

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