Volksbühne Berlin am Rosa-Luxemburg-Platz
 

Cappuccetto Rosso

Text und Regie: René Pollesch


„Der Prater widmet sich in dieser Spielzeit der Heterosexualität als Problem, dem Mittelstand als Problem und der Repräsentation als Problem, und damit auch dem Repräsentationstheater, also jener Theaterform, in der gesellschaftliche Konflikte dargestellt und auf ihren Ausstellungswert reduziert, aber nicht bearbeitet werden können. „Vor allem verhindern, dass das Soziale da nur noch einen Ausstellungswert hat! Was können wir von unseren sozialen displays noch zusammenkratzen, um uns zu lieben?" (Cappuccetto Rosso) Was ist der Unterschied zwischen Alltag und Alltagsrepräsentation? Die Praktiken sind längst andere, als der durchgesetzte bürgerliche Lebensstil! Und jetzt zum Theater: New Orleans war eine Stadt der Dritten Welt, noch bevor sie Bilder von sich als solche geliefert hat. Was an der Wallstreet als Naturgewalt ausgegeben wird: Der Markt, hat hier schon längst gewütet, noch vor Katrina. Aber das Auseinanderdriften der speziellen Leben und einer bürgerlichen Vorstellung davon bekam erst eine Architektur, als der Hurrikan sich von der Sprache der Ökonomen befreit hat und zur Repräsentationsarchitektur eines radikalisierten Wettbewerbs wurde! Wake me up when september ends! (green day). Im Repräsentationstheater wird das Spezielle der Leben (im Zuschauerraum und auf der Bühne) immer mit dem schon Geronnenen bearbeitet, bis hin zu den "ewigen menschlichen Wahrheiten", die, wie der "ewige Kampf der Geschlechter", also Heterosexualität, Normierungen sind. Die Beschäftigung mit den Normierungen Heterosexualität, Mittelstand, Repräsentation gestattet einen Perspektivwechsel und eine Bearbeitung der traditionellen Panzerung dieser Themen gegen ihre Markierung als Problem. "Weckt mich, wenn er vorbei ist der September, dieser endlose September, dieser grauenvolle letzte Monat der Menschheit, die sich aus den Fenstern stürzt, um als Bioscheisse unten zu landen (Aber welche Leben sind die in diesem Gebäude gestorben?) Und Angela Merkel und Gerhard Schröder, die das alles einebnen! Jeden Blick auf irgendwas und auf die Städte, und auf die Toten, die immer anders gelebt haben, als die Bürger, die sie warn." In „Cappuccetto Rosso“ verliert Maria Tura, Polens größte Schauspielerin, bei einer Probe zu "Die Nazischickse" ihren Zauber. Es war ihre einzige Möglichkeit, an das Glück heranzukommen. Und an Geld. Sie weiß ja, dass sie sich ehrlich nicht zu schaffen machen kann. Aber was bedeuten Glücksversprechen, wenn wir uns das Glück gar nicht verdienen können! Mit dem Leben ist schon gar nichts zu verdienen.“ Von René Pollesch, 2005 Premiere am 1. Oktober 2005 im Prater der Volksbühne
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