Volksbühne Berlin am Rosa-Luxemburg-Platz
 

Lesen: Ich wünschte, ich würde mich für Tennis interessieren 1

Nora Bossong, Olga Grjasnowa, Simon Urban und Thomas Klupp im Gespräch. Moderation: Florian Kessler


Schriftsteller nehmen traditionell die Rolle des kritischen Beobachters ein - sie halten Missstände fest, beziehen Stellung und treten ein für die Gesellschaft, in der sie leben und schreiben. Glaubt man den Feuilletons, hat sich das in den letzten Jahrzehnten jedoch grundlegend geändert. Die jüngste Autorengeneration sei gänzlich unpolitisch, heißt es oft, ihre Protagonisten mit kommerziellen Luxusproblemen beschäftigt. Klaren politischen Statements scheinen sie eher aus dem Weg zu gehen. „Ich glaube nicht an Politik“, wird etwa Kevin Kuhn in einem kürzlich in der „Welt“ erschienenen Artikel zitiert. Diese Haltung kann emblematisch für viele junge Schriftsteller stehen. Ist eine politische Haltung nur noch dort relevant, wo die „wirklichen“ Probleme ins Spiel kommen – sei es, Brennpunkte an anderen Orten der Welt oder die Sorgen junger Migranten in Deutschland? Tatsächlich gibt es zahlreiche Versuche grenzüberschreitender Literatur, die in der Debatte um junge politische Literatur beachtet werden müssen. Andere Ansätze richten ihren Blick auf die banal anmutenden Nichtigkeiten abgeklärter Großstädter. Sprachlich fulminant und voller Ironie erforschen sie die Abgründe des Mittelmaßes, stellen sie in ihrer ganzen Blöße dar, geben sie preis. Daneben finden sich Autoren, die sich abwenden von einer Realität, die ihnen nichts mehr zu bieten hat. Sie lenken den Blick auf ein “Was wäre wenn?”. Dennoch werden solche und ähnliche Versuche in der Öffentlichkeit nur bedingt als politisch wahrgenommen. Eine Diskussion auf Grundlage der Texte entfaltet sich meist nicht. Liegt das daran, dass politische Texte heute mit der programmatischen Haltung aus den 60ern und 70ern nur noch wenig gemein haben? Umkreisen sie das Politische zu subtil? Wie grenzt sich die junge und jüngste politische Literatur von „älteren“ Ansätzen (Juli Zeh, Ulrich Peltzer, Terezia Mora) ab, welche neuen Wege sucht sie, welche hat sie schon gefunden? Mit der Veranstaltungsreihe „Ich wünschte, ich würde mich für Tennis interessieren.“ wollen wir einen Raum schaffen, in dem diese Fragen ausführlich erörtert werden, mit dem Ziel, die öffentliche Wahrnehmung für junge politische Literatur zu sensibilisieren. Es geht uns dabei ausdrücklich um die ganz jungen Autoren - welche Wege gehen sie, wie grenzen sie sich von vorangegangenen Generationen ab, wie könnte politische Literatur in Zukunft aussehen? Wir wollen dem sporadisch geführten Diskurs zu neuer Tiefe verhelfen, nicht bloß über die “jungen Schriftsteller” reden, sondern sie selbst zu Wort kommen lassen. In vier Themenblöcken wird es um das aktuelle Spektrum jungen politischen Schreibens gehen. Neben den Autoren werden auch Lektoren, Agenten, Kritiker und Literaturwissenschaftler zu Wort kommen. Jeder Teilnehmer der Diskussionsrunde ist dazu aufgerufen, einen eigenen oder fremden Textauszug mitzubringen. Er sollte eine Lesezeit von 10 Minuten nicht überschreiten. Die Texte können dabei als Antwort oder Kommentar zur Diskussion gesehen werden. Um den einzelnen Veranstaltungen einen übergreifenden Rahmen zu geben, wird Florian Kessler als Moderator durch alle Abende leiten. So können inhaltliche Zusammenhänge hergestellt und Diskussionen weitergeführt werden, auch über die einzelnen Veranstaltungen hinweg. Das Publikum wird am Ende jeder Veranstaltung in die Diskussion einbezogen und aufgefordert sein, eigene Argumente einzubringen und Fragen an die Gäste zu stellen.
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