"Es ist ein Vorgang, dieses Haus, es ist kein statischer Zustand, sondern das Haus ist ein Prozeß, der die Vergangenheit beinhaltet." – sagt Zitat Nr. 201 der Publikation zum 100. Geburtstag der Volksbühne. Noch 1990 wurde die Schließung des Hauses, dessen Bausubstanz stark angegriffen war, diskutiert. Es kam anders. Statt Abrißbirne oder Einkaufscenter kam eine „junge Truppe mit Ex-DDR-Kern“ um Frank Castorf und damit eine lange, kontinuierliche Bauphase für die Volksbühne.
2015: Fenstersanierung. Wie so oft an dieser monumentalen Volksbühne schlagen sich Problemfelder der künstlerischen Tätigkeit innerhalb der zivilisierten Gesellschaft auch in der Bausubstanz nieder. Ein solches Konfliktfeld besteht zum Beispiel darin, dass von der kritischen Instanz Theater erwartet wird, den unhinterfragten Ablauf des Alltags zu stören, aber eben bitte ohne den Ablauf des Alltags zu stören. In anderen Worten: Subkultur ja, Lärm nein.
Links und rechts des Baukörpers am Rosa-Luxemburg-Platz befinden sich der Rote und der Grüne Salon, beides Orte, zu deren festem Programm Live-Konzerte, Parties und Lesungen gehören. Rechts und links der Salons befinden sich Häuser mit Bewohnern. Zwischen Kunst und Wohnen liegt: die Bausubstanz. Mauern, von Fenstern durchzogen. An dieser Schnittstelle wird der Konflikt nun erfolgversprechend angegangen.
Die Fenster stammen aus dem Wiederaufbau der im Krieg fast vollständig zerstörten Volksbühne 1954. Der Lack mehrerer Schichten ist abgeblättert, er platzt von den Rahmen, die teilweise nicht mehr schließen, im Sommer müssen die Fenster während Konzerten geöffnet werden, weil die interne Lüftung unzureichend ist.
Unsanierte Fenster (z.B. im Parkettcafé, rechten Seitenfoyer, im Roten Salon)
Dieses Haus ist ein Prozeß, der die Vergangenheit beinhaltet. Das weiß der Denkmalschutz, und so ist es nicht möglich, die 60 Jahre alten Fenster durch hochmoderne zu ersetzen, ohne dem Gebäude den Charakter zu nehmen. Die Einzigartigkeit der Nachkriegs-Konstruktion soll also bewahrt werden und gleichzeitig so viel können wie zeitgenössische Fenster. Wie das funktionieren kann, wurde bereits an ersten Fenstern im vierten Stock erprobt: Die historischen Stahlrahmen wurden saniert, die Fensterscheiben durch modernes Thermoglas erneuert. Nach diesem Vorbild sollen nun auch die Fenster der Foyers, der Salons, des Ballettsaals und der Bühne im dritten Stock überarbeitet werden.
Die Baumaßnahme kostet 1.600.000 Euro, wovon die eine Hälfte durch den EFRE (Europäischer Fonds für regionale Entwicklung) und die andere von der Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) übernommen wird. Ab Sommer 2015 sollen die sanierten Fenster für Kompromisse sorgen, sowohl zwischen Gegenwart und Vergangenheit als auch zwischen Kunstbetrieb und Ruhebedürfnis. Kunst am Bau, Bau an der Kunst, das eine kommt am anderen nicht vorbei.
Sanierte Fenster (z.B. in der Ausstattung und im Archiv)
Projekttafeln Roter und Grüner Salon